Suppen-Deutschland

Deutschland – führend in der regionalen Suppenvielfalt


Deutschland ist ein Suppenland. Keine andere Küche in Europa, auch die französische nicht, verzeichnet im regionalen Bereich eine solche Vielzahl an Suppen wie die deutsche Küche. Das reichhaltige Rezept-Angebot erlaubt es, jeden Tag eine andere Suppe zu essen.

Traditionelle Rezepte modern zubereitet
Wenn auch feststeht, dass die Verbraucher dabei zu 60 Prozent industriell hergestellte Suppen bevorzugen, weil es in der Küche schnell und ohne großen Aufwand zugehen soll, genießen doch auch die von Urgroßmutter kreierten Suppen-Rezepte hohes Ansehen.
Mit Kräutern kräftig gewürzt, klar oder legiert, süß-sauer und manchmal sogar süß, kombiniert mit einer salzigen Beilage, präsentieren die einzelnen Regionen ihre Suppen-Spezialitäten. Etwas anders allerdings als zu Urgroßmuters Zeiten gart es heute in den Suppentöpfen. Deutschlands Suppen sind nicht schlechter, aber leichter und bekömmlicher geworden. Heute ist Suppe ein vielfältiger Genuss ohne Reue.

Suppenkult und -küche in Hamburg
Die inzwischen weltweit als „Oxtail“ bekannte Ochsenschwanzsuppe ist keineswegs ein Produkt der britischen Insel. Ihre Wiege stand in Hamburg, das auch heute noch so etwas wie die führende deutsche Suppenstadt ist.

Hier ist die Suppe nicht nur Vorgericht. Sie ist in süßer Form auch Nachtisch und im häuslichen Bereich vor allem Hauptgericht. Die Aalsuppe, ursprünglich „Saure Suppe“ mit Aalstücken und Schwemmklößchen als Einlage, ist Hamburgs Vorzeigesuppe. Gekocht auf dem Knochen eines Katenschinkens enthält die daraus entstandene kräftige Brühe frische Gemüse, gedünstete Birnen, getrocknete Apfelringe, Backpflaumen, zehn verschiedene Kräuter und Gewürze und wird mit Zucker und Essig abgeschmeckt. Die Zubereitung ist sehr aufwendig. Deshalb steht die Aalsuppe nur noch sehr selten auf einem häuslichen Tisch.

Fein wie eh und je präsentiert sich dagegen die Hamburger Krebssuppe, und während Nierensuppe, Mocturtle (falsche Schildkrötensuppe) oder Austernsuppe nur noch in alten Rezeptbüchern stehen, gehören die Fliederbeersuppe mit Apfel und Klüten, Fruchtsuppen aus Zwetschgen, Kirschen oder Bickbeeren (Blaubeeren) und die klare Hamburger „Frische Suppe“ mit reichhaltiger Gemüseeinlage zum häuslichen Suppenstandard.

Die Suppe in Bayern
Beeinflusst von Tiroler Köchen und italienischen Küchenmeistern, hat die Suppe in Bayern eine Eigenständigkeit und Vielfalt entwickelt, die nahezu einmalig ist in deutschen Landen. Bayerische Köche und Hausfrauen lassen sich am Küchenherd nur ungern zu modernem „Schnickschnack“ verführen. Sie wissen, was ihre Leberknödel- und ihre Milzsuppe wert sind, und wie schon Großmutter und Urgroßmutter mögen sie auf ihre Panadisuppe aus alten Semmeln, Fleischbrühe, Gewürzen und saurer Sahne oder auf ihre mit Muskat gewürzte Grießnockerlsuppe und auf ihre Schwammerlsuppe mit Steinpilzen, Maronen und Pfifferlingen nicht verzichten.

Natürlich – was wäre Bayern ohne sie – gibt es eine Biersuppe. Wer Glück hat, dem präsentiert sich die vom Gründer des Englischen Gartens in München kreierte Rumford-Suppe mit getrockneten Erbsen und Gemtengrütze heute leicht veredelt.
Entstanden sind all diese Suppen in ländlichen Gemeinden Bayerns und haben vom Dorf aus die Städte und ehemals sogar den königlichen Hof erobert. Auch Bayerns Majestäten delektierten sich, vielleicht etwas feiner aufbereitet, an Kräutl- und Bayerischer Brotsuppe.

Suppen in Mecklenburg-Vorpommern – vielfältig anders
Hier im ehemaligen Großherzogtum spielt die Suppe als Vorspeise eine kleine, aber als Hauptgericht eine führende Rolle. Fast alles, was Land und Ostsee an nahrhaften Produkten liefert, wird in Mecklenburg-Vorpommern zu einem herzhaften Eintopf und zu Suppen mit zum Teil ungewöhnlicher Zusammenstellung verarbeitet.

Schon der plattdeutsche Vorzeigedichter des Landes, Fritz Reuter, genoss ein Leben lang die mit Milch, Eiern, Zitronenschale, Zimt, Mehl und Vanillezucker zubereitete Kliebensupp oder aber die süße Körbsensuppe (Kürbissuppe), die man mit Erdbeer- oder Apfelsaft verfeinert. Immer wieder spielt die Milch in der Suppenküche eine besondere Rolle: ob nun als einfache Milchsuppe mit Roggenklüten, als mit Eigelb abgerührte Suppe mit Birnen, als Buttermilchsuppe, die man mit Konfitüre von schwarzen Johannisbeeren würzt, oder als Boddermelksuppe, die mit Tüften (Kartoffeln), etwas Zitronensaft und einem großen Stück Räucherspeck den kräftigen Geschmack geben.

Eine Kartoffelsuppe gibt es fast in allen deutschen Landesteilen, aber nur im Bundesland Mecklenburg-Vorpommem sind neben Speck und Suppengrün getrocknete Pflaumen wichtigster Bestandteil. Nur im Seenland wird, mit Fischfond und einer karamellisierten Masse, mit Zucker und Mehl, der Schellfisch zu einer Suppe verarbeitet.

Die Suppen in Berlin / Brandenburg
Eigentlich lässt die vielzitierte preußische Sparsamkeit kaum darauf schließen, dass die Bewohner leiblichen Genüssen besonders zugetan waren und sind. Aber weit gefehlt. Schon Friedrich der Große hat gern und gut gegessen, seine Nachfahren tun das heute noch. Böhmische Zuwanderer und Hugenotten prägten die Brandenburgische und Berliner Küche.

Des großen Friedrich Küchenchef war Franzose und ein leibhaftiger, ehrbarer Universitätsprofessor. Er wurde der „Newton der Suppenküche“ genannt, aber leider aber sind seine zumeist wohl französischen Rezepte nicht eingegangen in Brandenburgs Küchengeschichte. Denn das gemeine Volk konnte sich nicht leisten, was in den Töpfen des Hofes und Großbürgertums zubereitet wurde. Doch von den so genannten „Arme-Leute-Suppen“ schmücken heute einige die Speisenkarten von Gourmet-Tempeln.

Wie zum Beispiel die auf Rauchfleisch mit Zucker, Sirup und Backpflaumen hergestellte Graupensuppe und des Landes berühmtester Eintopf, die Berliner Kartoffelsuppe. Die hat es auch in sich. Die Vielzahl der Zutaten, wie Lauch, Sellerie, Möhren, Zwiebeln, Rauchspeck, saure Sahne, Lorbeer, Kümmel, Wacholderbeeren, Majoran, Muskatblüte, Petersilie und Kerbelblättchen, geben der Berliner Kartoffelsuppe den unvergleichlichen Geschmack.
Gut neben ihr sehen lassen kann sich, mit edelsüßem Paprika und einem Spritzer Cognac gewürzt, die Brandenburgische Krebssuppe mit Spargelspitzen. Noch zu nennen wären eine Bier-Kaltschale mit Korinthen und geriebenem Schwarzbrot und eine Warmbiersuppe, mit der Friedrich des Großen geiziger Vater seinen Sohn großgezogen haben soll.

„Allerlei“ aus der Suppenküche Sachsens
Wer kennt nicht das berühmte „Leipziger Allerlei“, zum ersten Mal serviert bei einem Leipziger Magisterschmaus, den schon Johann Wolfgang von Goethe in „Auerbachs Keller“ genoss. Es entwickelte sich zu einer simplen gemischten Gemüsesuppe in Dosen und wurde weltberühmt.

Der einfache Sachse hatte auch zu guten Zeiten kaum die Mittel für das echte „Allerlei“ mit Krebsschwänzen, Krebsnasen, Krebsbutter, süßer Sahne und feinen Frühgemüsen. Er verließ sich auf seine Fliederbeeren, die er mit Pflaumen, Kochbirnen, Milch und aufgeschlagenem Eiweiß zur „Sächsischen Fliederbeersuppe“ verarbeitete.

Meistens zum Wochenende stand eine große Schüssel mit dicker Brotsuppe auf den Mittagstischen der Bauern und erzgebirgischen Holzschnitzern. Vermischt mit einer Brühe, bestand sie aus Roggenbrotwürfeln, Zwiebeln, etwas Butter, süßer Sahne, wenn das Geld reichte, und wurde mit Mehl legiert. Reichlich genutzt wurden Pilze. Schwämmerl, Steinpilz, Butter- und Birkenpilz garen, auf Räucherspeck gekocht, mit Salz und Pfeffer gewürzt und mit süßer Sahne und Butter veredelt, auch heute gerne zu einer Festtagssuppe in den sächsischen Töpfen.

Die typische Sachsensuppe, später auch in Preußen beliebt, gilt als seltsame, aber sehr schmackhafte Mischung aus dunklem Bier und Milch, die man mit Eigelb abrührt und mit Zimt, abgeriebener Zitrone und kandiertem Ingwer würzt.

Die Suppe in Thüringen
Fast alles, was die Sachsen löffeln, das schmeckt auch den Thüringern. Nahezu übergangslos steht auf den Speisenplänen der Dörfer und Städte im Thüringer Wald auch das, was Erzgebirgler, Leipziger oder Dresdener mögen, also Warmbiersuppe, Suppe aus Mischpilzen oder die einfache Brotsuppe.

Aber: So, wie kein Thüringer es verwinden kann, wenn man ihm nachsagt, dass er sächsisch spräche, so wenig wird er hinnehmen, dass seine Suppenrezepte ausschließlich vom ungeliebten Nachbarn stammen.

Die berühmte „Biddersilchsbrühe“ etwa gibt es nicht in Leipzig oder Chemnitz. Nach Original-Rezept auf Taubenfleisch gekocht, vermischt mit abgeriebenen Semmeln, gewürzt mit Salz, Pfeffer und Muskat, abgerührt mit Eigelb und serviert mit Möhren, Knollensellerie, Lauch und Petersilienwurzeln, präsentiert sich hier ein Gourmet-Süppchen, das mindestens zwei Michelin-Sterne verdient.

Als Vorsuppe für jedes exklusive Menü empfiehlt sich neben der Biddersilchsbrühe Thüringens unverwechselbare Riebelebrüh, ein Süppchen für Feinschmecker und Freunde einer schnellen Küche. Hier wird eine kräftige Rinderkraftbrühe gekocht, in die der Koch aus einem mit Muskat gewürzten Mehl-Butter-Eier-Salz-Petersilien-Teig kleine Flöckchen krümelt und gart.
Und noch eine Spezialität aus dem schönen Thüringen: Mit Mehl und Butter legiert, ergibt eine Mischung aus heller Brühe und Weißwein mit Einlage von gehacktem Kalbshirn, das separat in Salz-Essigwasser gekocht wird, Thüringens Hirnsuppe.

Die Suppe in Rheinland-Pfalz
In einem Land, an dessen Hängen die Reben reifen und das durch seine Weine weltberühmt ist, spielt der vergorene Rebensaft auch in der Küche eine bedeutende Rolle. Bis in den Norden hinauf hat sich herumgesprochen, dass ein feiner Riesling nicht nur Saucen veredelt, sondern auch als Suppe eine Delikatesse ist. So wurde die Weinsuppe, die mit Sago angedickt und mit Eigelb legiert wird und zu der man Weiß- oder Vollkornbrot mit Schinken genießt, sogar zu einem kulinarischen Aushängeschild Schleswig-Holsteins.

Dafür revanchieren sich denn die Moselaner mit einer Kopie der Hamburger Aalsuppe. Wie an der Elbe wird die Suppe mit frischen Gemüsen und vielen Kräutern zubereitet. Anders allerdings als in Hamburg würzen weder Essig noch Zucker die Aalsuppe der Mosel. In Wein gedünstete Birnenschnitten geben den Geschmack, und die Brühe wird auf Rindfleisch und nicht auf geräuchertem Schinken gekocht.

Auch süß mag man in Rheinland-Pfalz den Wein in der Suppe. Zimt, Zucker und abgeriebene Zitrone geben dem Süppchen die Würze, das mit kaltem Wein und Stärkemehl legiert wird, kleine Klöße und Rosinen als Einlage und ein Häubchen aus mit Zucker aufgeschlagenem Eiweiß enthält.

Auch der Weinmost wird, einfach mit Eigelb und Sahne abgerührt, eine Suppe. Und kräftig mit Weißwein aufbereitet ergeben getrocknete Früchte die Rheinische Birnensuppe. Natürlich geht es auch bei der sehr aufwendigen, auf magerem Speck mit vielen Gewürzen zubereiteten Kaninchensuppe nicht ohne Wein: Ein kräftiger Roter gibt den Geschmack.
Riebelesuppe aus Milch und Nudelteig oder Sauerampfersuppe mit viel Kartoffeln und reichlich saurer Sahne verzichtet auf den Zusatz von Rebensaft.

„Viel Ungewöhnliches zu entdecken“ – Suppen in Nordrhein-Westfalen
Mit „Durchgemüse“ hatte man es lange Zeit im westfälischen Land, der Region mit dem berühmten „Schinken“ und der kräftigen Küche, zu der auch der genannte Gemüse-Eintopf zählt, der als dicke Masse auf den Teller kam und mit der Gabel gegessen wurde.
Inzwischen sind solche Gerichte ein bisschen flüssiger geworden, aber auch als Suppe noch immer sehr inhaltsreich. Wie zum Beispiel beim „Gänsefutter“ oder „Blindhuhn“. Da gehören nicht nur ein großes Stück Rindfleisch und weiße Bohnen in die Suppe, sondern auch Kartoffeln, Möhren, Stangenbohnen, reichlich süßsaure Äpfel und Zwiebeln.
Selbst mit einer ganz normalen, auf Pökelfleisch gekochten Bohnensuppe allein gibt man sich nicht zufrieden. Westfälisch ist die Suppe erst, wenn dazu Mehl- oder Kartoffelpfannkuchen gereicht werden. Und wie selbstverständlich gehören die auch zur Fitzebohnensuppe aus Rindfleischbrühe, Schnippelbohnen und Kartoffeln. Überhaupt hat man es in diesem Bundesland mit den Beilagen zur Suppe. Dabei ist zum Beispiel Westfalens Erbsensuppe mit eingelegtem Hering als Beilage gewöhnungsbedürftig und hat die Grenzen zu den Nachbarländern bisher nicht überschritten.

Das gilt auch für die „Graue Grete“, eine Mischung aus Backpflaumen, Backobst und viel Milch, in der trockenes Brot und Brotecken gekocht werden. Insgesamt unterscheidet sich die Suppenküche im Nordrheinischen und Westfälischen von allen anderen Bundesländern. Nirgendwo findet man auch nur annähernd ähnliche Rezepte, und das macht den Reiz dieser Küche aus.